Menschen mit angeborenen Leseschwierigkeiten
Menschen mit Leseschwierigkeiten brauchen Leichte Sprache. Betroffene leiden zum Beispiel unter:
- Lernschwierigkeiten (z. B. Legasthenie)
- einer geistigen Behinderung
- einer prälingualen Hörschädigung (d. h. Taubheit von Geburt an bzw. seit früher Kindheit, was die Spracherlernung stark beeinträchtigt)
- funktionalem Analphabetismus (d. h. Unfähigkeit, trotz gewisser Literalität, einen längeren Text gut genug zu verstehen, um einen Nutzen davon zu haben.)
Die Universität Hamburg untersuchte 2018 die Lese- und Schreibkompetenzen der Deutsch sprechenden erwachsenen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren. Die Auswahl der insgesamt 7.192 Personen erfolge per Zufallsauswahl.
Aus dieser Studie ging hervor, dass rund 6,2 Millionen der Deutsch sprechenden Menschen im arbeitsfähigen Alter nur eine geringe Literalität besitzen. Das bedeutet, dass diese Personen lediglich einfache Sätze lesen und schreiben können. Sie sind auf Leichte Sprache angewiesen. 62,3% dieser Menschen waren 2018 erwerbstätig. Das entspricht fast 3,9 Millionen Menschen bzw. 13,8% der erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland (12,1% der gesamten Bevölkerung) im Alter von 18 bis 64 Jahren.
10,6 Millionen der Deutsch sprechenden Menschen in Deutschland können Wörter, Sätze und Texte nur lesen und schreiben, wenn diese eher allgemein gehalten sind und keine komplizierten Fachwörter enthalten. Fachtexte sind für diese Gruppe nur schwer verständlich oder gar unverständlich. Die deutsche Rechtschreibung bereitet ihnen ebenfalls Schwierigkeiten.
(Quelle: https://leo.blogs.uni-hamburg.de/, abgerufen am 05.12.2022)
Menschen mit Leseschwierigkeiten durch Krankheit oder Unfall
Aber auch Menschen, die nicht von Anfang an Probleme mit gängigen Texten hatten, können von Leseschwierigkeiten betroffen sein. Diese Menschen haben die Leseschwierigkeiten aufgrund von Erkrankungen erworben und können nicht mehr oder nur noch unter äußerst schweren Bedingungen lesen.
Diese Menschen sind zum Beispiel betroffen von:
- Demenz
- Aphasie (erworbene Sprachstörung aufgrund einer Hirnschädigung aufgrund eines Tumors, eines entzündlichen Gehirnprozesses, nach einem Schlaganfall oder einem schweren Unfall. Aphasie betrifft alle sprachlichen Fähigkeiten: Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben)
Das sind ca. 1,6 Millionen Menschen in Deutschland.
(Quellen:
https://aphasiker.de/aphasie/ (abgerufen am 22.11.020)
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/109460/Deutliche-Zunahme-an-Demenzkranken-in-Deutschland-und-Europa-erwartet (abgerufen am 22.11.2020))
Menschen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen
Hinzu kommen mehr als eine Million Menschen, für welche die deutsche Sprache nur schwer zugänglich ist.
Insgesamt sind also fast 20 Millionen Menschen in Deutschland von Leseschwierigkeiten betroffen. Je stärker die Verständnisschwierigkeiten ausgeprägt sind, umso mehr benötigen diese Menschen Texte in Leichter Sprache, um am täglichen Geschehen teilhaben zu können.
Warum verstehen diese Personen die alltäglichen Texte nicht?
Beim Lesen eines Textes durchlaufen wir mehrere Stufen:
- Wahrnehmen: Wir lesen den Text.
- Verstehen: Wir verarbeiten den gelesenen Text.
- Behalten: Wir speichern den gelesenen und verstandenen Text.
Für das Lesen eines Textes steht in unserem Gehirn eine bestimmte Leistungskapazität zur Verfügung. Nur der im Gehirn zwischengespeicherte und in größere Einheiten zusammengefasste Text kann auch verstanden werden. Das heißt, nur wenn alle drei Stufen einwandfrei von unserem Gehirn verarbeitet werden können, gelingt auch das Lesen schwieriger Texte.
Nimmt jedoch das Wahrnehmen und somit das Lesen einzelner Wörter bereits einen Großteil dieser Kapazität in Anspruch, können die Wörter nicht zu einem zusammenhängenden Satz bzw. zu einem Text verarbeitet werden. Menschen mit einem solchen Problem haben Lese- und Verständnisschwierigkeiten.
Da Menschen mit Leseschwierigkeiten nicht alle Texte verstehen können, haben sie oftmals einen geringen Wortschatz. Es entstehen Wissenslücken, Fachbegriffe fehlen weitgehend.
Das Leseverständnis dieser Menschen kann sehr unterschiedlich sein. Die mit den Leseschwierigkeiten verbundene Probleme können sowohl auf Wortebene als auch auf Satzebene oder auf Textebene liegen. Das bedeutet, es gibt Menschen, die Fachbegriffe nicht verstehen bzw. einordnen können. Andere wiederum verstehen die Wörter eines Satzes, jedoch nicht den Satz, weil das Satzgefüge zu kompliziert ist. Und noch andere Menschen verstehen zwar die Worte und können die Sätze verstehen, aber nicht den Zusammenhang eines gesamten Textes erschließen, weil er z. B. nicht chronologisch aufgebaut ist.




